Kopfsteinpflaster in Bremen – Warum Anwohner im Viertel Pflastersteine haben wollen (RB 23.11.2016)

Kampf um den Straßenbelag im Viertel: Eine Anwohner-Initiative will Kopfsteinpflaster haben, doch die Stadt hält dagegen. Sie will Asphalt verlegen lassen. So seien die Straßen barrierefrei und sicher. Die Anlieger setzen jedoch auf das historische Stadtbild. Und haben viele Befürworter.

Kopfsteinpflasterstraße im Viertel [Quelle: Radio Bremen, Verena Patel]

Flickenteppich aus Pflaster und Teerdecke – an der Ritterstraße will die Stadt bald asphaltieren lassen. Das sei aus Gründen der Barrierefreiheit wichtig, heißt es von Seiten des Bauressorts. Die Pflastersteine unter der Teerschicht seien nicht mehr zu retten.

Es ist laut beim Darüberfahren, es ist gefährlich für Radfahrer und ein Ärgernis für Menschen, die im Rollstuhl sitzen, sagen die einen. Doch es ist auch schön anzusehen, Touristen fotografieren es gerne und es gehört einfach zum Viertel wie die Altbremer Häuser, sagen die anderen. Kopfsteinpflaster ja oder nein – darum ist eine hitzige Debatte entbrannt. An der Ritterstraße kämpfen Anwohner seit Monaten darum, dass vor ihrer Haustür Pflastersteine verlegt werden. Es soll auch das Image der ganzen Straße retten.

Straße soll ins Gesamtbild des Viertels passen

„Hier wird ohnehin schon viel gedealt, und wenn im Weserstadion gespielt wird, wird die Straßenecke zum Klo“, sagt Anwohnerin Elsa Laue. Sie befürchtet, dass eine kaputte Asphaltdecke – denn der Stoff sei leicht zu beschädigen – das noch verstärken würde. „Wo es schon dreckig ist, da sind auch weniger Hemmungen, noch etwas mehr Dreck zu machen“, sagt sie.

Wir wollen weg von diesem Hinterhofmillieu.

Robin Quaas, Anwohner Ritterstraße

Kopfsteinpflasterstraße im Viertel [Quelle: Radio Bremen, Verena Patel]

Felix Elsner, Robin Quaas und Ole Dahms setzen sich für Pflastersteine an der Ritter- und der Schweizer Straße ein.

Die einzige andere asphaltierte Straße in der näheren Umgebung sei die Helenenstraße, meint ein anderer Anwohner. Und damit möchte man nicht gleichgesetzt oder in Verbindung gebracht werden. „Wir wollen eine zu den anderen Straßen im Steintor gleichwertige Straße, die wir als Anwohner auch pflegen wollen, die hier ins Gesamtbild des Viertels passt mit seinen Vorgärten und den Altbremer Häusern“, sagt Quaas.

Auch das Konzept Bremen Innenstadt 2025 sehe vor, das vorhandene Potenziale erhalten bleiben. Quaas sieht dieses Prinzip umgangen. Die Straßen des Steintors solle man möglichst in ihrer Einheit erhalten. „Auch Touristen bleiben gern vor den kleinen Nebenstraßen stehen und machen Fotos.“ Dabei bekommt die Initiative Rückenwind von Einzelhändlern aus dem Viertel. Auch der Bremer Denkmalpfleger Georg Skalecki wird in einer Broschüre der Initiative mit den Worten zitiert „Das Landesamt für Denkmalpflege würde eine Pflasterung der Ritterstraße begrüßen“.

Bauressort will Asphalt für Barrierefreiheit

Das Bremer Bauressort jedoch setzt andere Prioritäten. Im Zentrum der Argumentation für eine Asphaltierung steht das Thema Barrierefreiheit. Sie soll gewährleistet werden, indem man Straßen mit einer durchgängigen Fahrbahndecke belegt. „Die Sicherheit ist ein wichtiger Aspekt“, sagt der Sprecher des Bausenators, Jens Tittmann. Auf Plastersteinen rutscht man leichter aus, vor allem bei Nässe oder wenn Laub auf der Straße liegt.“ Auch Radfahrer täten sich schwerer mit dem unebenen Untergrund.

Doch wirbt die Bürgerinitiative Ritterstraße in ihrem Flyer mit einem Statement des Behindertenbeauftragten Joachim Steinbrück. Demnach sei Asphalt nicht die einzige Möglichkeit. Auch ein glatt verlegtes, ebenes Pflaster mit schmalen Fugen könne eine Alternative sein, die es auch Menschen mit Behinderung ermöglicht, die Straße zu nutzen. Die Straße mit neuen Pflastersteinen zu belegen, kann teuer werden. Denn dazu müssten neue Steine beschafft werden.

Die Steine, die unter der Teerschicht an der Ritterstraße liegen, sind nicht mehr zu benutzen.

Jens Tittmann, Sprecher des Bausenators

Belag an Ritterstraße reif für Sondermüll

Martin Stellmann, Sprecher des Amtes für Straßen und Verkehr, ergänzt: „An der Ritterstraße befindet sich ein Sandsteinpflaster, das nicht wiederverwendbar ist. Das ist in der Regel nur bei Granitsteinen möglich, da sie widerstandsfähiger sind. Außerdem sind die Steine mit Teer überzogen, der polyaromatische Kohlenwasserstoffe enthält. Diese Stoffe können krebserregend sein. Der Straßenbelag muss daher auf den Sondermüll.“

Außerdem sei eine Neupflasterung sehr kostspielig: „Das wäre ein Luxusstraßenbau“, sagt Stellmann. Anders sehen das die Mitglieder der Bürgerinitiative. Man müsse keine neuen Pflastersteine kaufen, bei der Stadt gebe es doch genug davon. Auf eine Anfrage bei der Stadt habe man die Antwort erhalten, dass es Steine für 9.000 Quadratmeter gebe, diese aber bereits für andere Straßen verplant seien, sagt Ole Dahms von der Initiative.

Man will hier den Präzedenzfall vermeiden, nach dem sich Bürger ihren Straßenbelag bestellen könnten.

Ole Dahms, Bürgerinitiative Ritterstraße

Beirat fühlt sich übergangen

Tatsächlich sei es nicht Sache der Anwohner, über den Belag für eine neusanierte Straße zu entscheiden, sagt Jens Tittmann. Dazu beziehe schließlich das Amt für Straßen und Verkehr verschiedene Institutionen ein: die Polizei, die Feuerwehr, den Beirat und den Landesbehindertenbeauftragten. „Das ist repäsentative Demokratie.“

Harald Klussmeier, Mitglied des Beirats Mitte/Östliche Vorstadt sieht das Vorgehen jedoch kritisch: „Bei früheren Straßenarbeiten wurden die Anwohner miteinbezogen und konnten sagen, welchen Straßenbelag sie lieber hätten. Das wird offenbar in der neuen Legislaturperiode anders gehandhabt.“

Nachdem der Beirat mit neun zu sechs Stimmen für eine Pflasterung gestimmt hatte, fühlen sich die Mitglieder jedoch nicht ausreichend gehört, berichtet Klussmeier. „Wir sind nicht davon ausgegangen, dass das Votum des Beirats so gar kein Gehör findet.“ Er weiß von Prozessen, die anders liefen. So sei auf der Schaumburger Straße ein glatter Fahrradstreifen eingezogen worden. An der Lindhornstraße hätten sich die Anwohner beispielsweise für Asphalt entschieden – und das dann auch bekommen.

Der Kampf ums Pflaster – Chronologie der Ereignisse

  • Januar 2016: Im Bauauschuss des Beirates werden die erforderlichen Kanalbauarbeiten an Ritterstraße und Schweizer Straße vorgestellt.
  • 5. April 2016: In einer Anwohnerversammlung wird das Konzept des Amtes für Straßen und Verkehr den Anwohnern präsentiert. Es sieht eine asphaltierte Fahrbahn und eine Straßenrinne aus sogenanntem Großpflaster vor. Die Anwohner äußern den Wunsch, dass die Straße ganz mit Großpflaster belegt und sogenanntes alternierendes Parken vorgesehen wird.
  • 3. Mai 2016: Das Amt für Straßen und Verkehr stellt der Bürgerinitiative bei einem Termin im Orstamt den Plan für das alternierende Parken vor.
  • 9. August 2016: Bei einer zweiten Anwohnerversammlung wird das alternierende Parken zugesagt. Die Anwohner äußern wieder den Wunsch nach einem durchgehenden Großpflaster.
  • Ende August: Die Hansewasser beginnt mit den Kanalbauarbeiten (Abschluss voraussichtlich im März 2017)
  • 13. September 2016: Der Beirat beschließt mit neun gegen sechs Stimmen, dass Großpflaster verlegt werden soll.
  • ab 5. Dezember 2016: Der Abschnitt der Schweizer Straße zwischen Wielandstraße und Römerstraße wird nach Ende der Kanalbauarbeiten mit Asphalt versehen.

 


Titel des Berichts:

Kopfsteinpflaster in Bremen

Warum Anwohner im Viertel Pflastersteine haben wollen

von Radio Bremen, 23. November 2016, Autorin: Verena Patel

 


 

Hinterlasse einen Kommentar